Für viele Biker geht die Motorradsaison so langsam zu Ende. Für dich der perfekte Zeitpunkt, wenn du auf der Suche nach einer gebrauchten Maschine bist.
Wie du die Risiken beim Kauf eines gebrauchten Motorrads minimieren kannst, hat meine Kollegin Tizia am 4. September 2019 bereits erläutert. Hier kannst du ihren Beitrag „Risiko gebrauchtes Motorrad? Nicht, wenn du diese Tipps beachtest!“ noch mal nachlesen.
Für meinen Freund Stephan, der sich ja im letzten Jahr eine gebrauchte MV Agusta Brutale gekauft hat, habe ich eine umfangreiche Checkliste erstellt, worauf beim Kauf einer gebrauchten Maschine unbedingt zu achten ist.
Die stelle ich dir hier jetzt auch zur Verfügung.
Mit Tizias Tipps und meiner Checkliste sollte es dir gelingen, dein Traum-Bike zu einem günstigen Preis zu finden.
Los gehts!
Preisobergrenze festlegen
Bevor du die Suche nach deinem Traum-Bike startest, solltest du wissen, in welchem finanziellen Rahmen du dich bewegen kannst. Lege also eine Obergrenze fest, welchen Betrag du maximal in dein Motorrad investieren kannst oder möchtest.
Diese Preisobergrenze solltest du dann auch unbedingt einhalten.
Du solltest also vernunftbasierte Entscheidungen treffen und Emotionen möglichst hintenanzustellen. Ich weiß, das ist beim Kauf eines Motorrads nicht einfach 😉.
Frühzeitig Marktüberblick verschaffen
Ich empfehle dir, dir möglichst frühzeitig einen Marktüberblick zu verschaffen.
Wenn dich beispielsweise eine MV Agusta Brutale 1090 interessiert, dann gib diese Suchbegriffe in den einschlägigen Plattformen, wie mobile.de, autoscout24.de, aber auch bei eBay Kleinanzeigen, quoka.de, 1000PS.de etc. ein und lass dich, soweit möglich, über neue Angebote per E-Mail informieren.
Wenn du diese Angebote dann täglich studierst und miteinander vergleichst, wirst du nach ein paar Wochen feststellen, dass du langsam ein Gefühl für den Markt bekommst und immer besser einschätzen kannst, welches neue Angebot günstig und welches teuer ist.
Berücksichtigen solltest du, dass es regional große Preisunterschiede geben kann.
Eine frühzeitige Suche auf den Internetplattformen hilft dir dabei, ein gutes Gefühl für den Markt zu bekommen
Wenn möglich, speichere diese Angebote dann in deiner persönlichen Merkliste ab. So kannst du sie immer wieder mit neuen Angeboten vergleichen.
Vorauswahl treffen und Besichtigungstermine vereinbaren
Hast du interessante Motorräder gefunden, die deinen Kaufkriterien entsprechen, solltest du die Vor- und Nachteile der angebotenen Bikes herausarbeiten. Am besten schriftlich, zum Beispiel auf einem Blatt Papier, das du dann auch zu den Terminen mitnimmst.
Das hilft dir bei der optimalen Preisfindung bzw. bei deiner Argumentation in Verhandlungsgesprächen mit dem Verkäufer.
Triff deine Vorauswahl anhand der Angebote, und lege in einer persönlichen Hitliste fest, welches Motorrad zu welchem Preis für dich die beste Wahl ist.
Du wirst feststellen, dass sich dies möglicherweise nach einer Besichtigung wieder verändert, aber als Orientierung ist dies ganz hilfreich.
Nun geht es daran, mit den Verkäufern Termine zur Besichtigung und gegebenenfalls einer Probefahrt zu vereinbaren.
Wichtig dabei: Plane unbedingt ausreichend Zeit ein und stelle sicher, dass sich auch der Verkäufer ausreichend Zeit nimmt.
Vorbereitung und Terminierung
Auf die Besichtigungen und die Gespräche mit den Verkäufern solltest du dich vorbereiten und wissen, welche Fragen du stellen möchtest.
Wenn du selbst unsicher bist, den Zustand eines Motorrads vernünftig einschätzen zu können, nimm einen erfahrenen Biker zur Unterstützung mit.
Funktioniert das nicht und ist die Werkstatt deines Vertrauens oder ein technischer Überwachungsverein in der Nähe, kannst du den Verkäufer auch fragen, ob er einverstanden ist, dass die das Bike mal kurz durchchecken.
Ein Verkäufer, der nichts zu verbergen hat, sollte dir das ermöglichen. Frage den Verkäufer unbedingt, ob er auch Eigentümer des Motorrades ist.
Verhandlungen solltest du nur mit dem Eigentümer der Maschine führen.
Wenn du das Motorrad selbst inspizieren möchtest, sind eine Taschenlampe, Schraubenzieher etc. und zur Not auch ein Lappen bzw. Handschuhe ganz hilfreich. Ebenso ein Helm für die Probefahrt.
Die Besichtigung – alles prüfen, alles checken, alles fragen
Bei der folgenden Checkliste musst du dich nicht an die Reihenfolge halten, du solltest aber jeden Punkt gewissenhaft abhaken:
Check 1: der erste Eindruck
Stehst du endlich vor dem Objekt der Begierde, dann überzeuge dich in aller Ruhe vom Zustand und Pflegezustand des Motorrads.
Sind irgendwelche Beschädigungen oder Kratzer sichtbar? Wenn irgendwo Öl tropft, ist Vorsicht geboten.
Um einen Blick auf die Maschine zu werfen, musst du die Sitzbank entfernen.
Funktionieren Licht, Fernlicht, Blinker und Hupe?
Wie ist der Stand und der Zustand des Motoröls? Wirf einen Blick in das Schauglas.
Checke auch das Getriebeöl.
Check 2: Anzahl der Vorbesitzer
Die neuen Zulassungsbescheinigungen (Teil II, Fahrzeugbrief) bieten leider nur Platz für einen Vorbesitzer. Die Zahl der Vorbesitzer siehst du jedoch in der Zeile B unter der Kennzeichenangabe.
Bei nur einem Vorbesitzer, steht dort eine Null.
Check 3: Kilometerangaben und Tachostand
Entspricht die Tachoanzeige den Kilometerangaben? Bei Differenzen kläre unbedingt, wie diese zustande gekommen sind.
Prüfe in diesem Zusammenhang auch die Angaben in den Inspektions– und Werkstattunterlagen. Gegebenenfalls finden sich Hinweise, dass am Tacho manipuliert wurde.
Wurde der Motor des Motorrads ausgetauscht, so lass dir auch hierfür alle Unterlagen aushändigen.
Im Zweifel lass von dieser Maschine die Hände weg.
Check 4: Wartung und Inspektionen
Prüfe, ob das Motorrad regelmäßig gewartet und alle fälligen Inspektionen durchgeführt wurden. Ob die Arbeiten von einer Fachwerkstatt durchgeführt wurden, siehst du im Scheckheft bzw. im Kundendienstheft.
Lass dir vom Verkäufer den Bericht der letzten Hauptuntersuchung vorlegen.
Check 5: Unfall- und umfallfrei?
Ist das Motorrad umfall- und unfallfrei? Wenn nein, lass dir vom Verkäufer genau beschreiben, was passiert ist und was repariert wurde. Lass dir die Belege zeigen.
Prüfe Lenkerenden, Spiegel, Hebel, Fußrasten, Auspuff und Motordeckel etc. auf Kratzer, Schleifspuren und Abschürfungen, die auf einen Unfall oder auf einen Umfaller hindeuten könnten.
Grobe Schleifspuren am Rahmen sind ebenfalls verdächtig.
Weist der Rahmen zusätzliche Schweißnähte auf oder ist er verformt, könnte das darauf deuten, dass der Rahmen verzogen ist. Dann lass die Finger weg!
Check 6: Umbauten und Veränderungen
Wurden Umbaumaßnahmen vorgenommen? Wenn ja, kläre ab, wann und von wem welche Teile verändert bzw. umgebaut wurden und ob diese eingetragen bzw. zugelassen wurden.
Lasse dir hierzu alle nötigen Fahrzeugpapiere, wie Betriebserlaubnis, Gutachten und Prüfberichte vorlegen.
Der Verkäufer sollte dir über alles bereitwillig Auskunft geben und dir auch alle erforderlichen Papiere und Belege zur Verfügung stellen.
Bitte den Verkäufer schon bei der Terminierung darum, alle Papiere und Belege zur Besichtigung bereitzuhalten.
Check 7: Räder, Speichen und Bereifung
Sind die Radlager in Ordnung? Beim Vorderrad kannst du es in aufgebocktem Zustand prüfen, indem du das Rad drehst und auf verdächtige Geräusche achtest. Wenn du das Rad seitlich hin und her bewegen kannst, ist das Radlager defekt.
Hat das Motorrad Speichenräder, so prüfe, ob die Spannung der Speichen in etwa gleich ist.
Dies tust du, indem du mit einem Schraubenzieher entlang der Felgen über alle Speichen fährst. Der Klang sollte bei allen Speichen gleich sein. Ist dies nicht der Fall, müssen die Speichen nachgespannt werden.
Fehlt eine Speiche oder sind Speichen gebrochen, ist der Aufwand bedeutend höher. Das Rad muss ausgebaut und der Reifen entfernt werden.
Auch auf die Reifen solltest du einen intensiven Blick werfen. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte die Profilstärke noch mindestens 3 mm betragen.
Prüfe auch, ob die montierten Reifen nicht zu alt oder porös sind. Sie sollten nicht älter als 5 Jahre sein. Das Alter findest du seitlich auf den Reifenplanken.
Zudem müssen die Reifen mit den Eintragungen in den Fahrzeugpapieren übereinstimmen. Sonst droht Ärger mit dem TÜV.
Check 8: Kette, Kettenrad und Ritzel
Die Zähne von Kettenrad und Ritzel sollten symmetrisch sein und auf beiden Seiten dieselbe Form haben. Sind die Zähne asymmetrisch und laufen auf einer Seite spitz zu, deutet das auf einen schlechten Pflegezustand hin. In diesem Fall müssen Kette Kettenrad und Ritzel ausgetauscht werden.
Lässt sich die Kette per Hand um mehr als eine halbe Zahnlänge vom Ritzel wegziehen, ist sie verschlissen und muss ausgetauscht werden.
Hat das Bike einen Zahnriemenantrieb, so musst du den Riemen auf eventuelle Beschädigungen, eingeschlossene Steinchen oder auch verschlissene Flanken hin prüfen.
Check 9: Lenker, Vorderradgabel und Scheibenbremsen
Um Lenker, Vorderradgabel und Bremsen zu prüfen, muss das Motorrad mithilfe des Ständers leicht nach hinten gekippt werden. Der Lenker sollte sich jetzt leichtgängig und ohne Geräusche nach links und rechts bewegen lassen.
Das Lenkkopflager prüfst du, indem du die vordere Bremse betätigst und den Lenker vor und zurück bewegst. Auch dies sollte geräuschlos vonstattengehen.
Schiebe jetzt die Gummimanschetten der Vordergabel hoch und prüfe den Übergang der beiden Rohre auf Ölaustritt. Wenn dies der Fall ist, müssen die Simmerringe der Gabel ausgetauscht werden.
Als nächstes prüfst du den Zustand der Bremsen bzw. der Bremsscheiben. Idealerweise sind diese komplett eben. Zeigen sich deutliche Rillen, müssen sie bald erneuert werden. Ebenso, wenn der Belag nur noch eine Stärke von 1 mm oder weniger aufweist.
Bei einem Riss muss die Bremsscheibe sofort getauscht werden.
Weisen die Bremsscheiben Verfärbungen auf, deutet dies darauf hin, dass sie zu heiß geworden sind.
Check 10: Motorfunktion und Auspuff
Bei kalten Temperaturen haben manche Motorräder Startprobleme. Verkäufer versuchen dies gerne, durch Warmlaufenlassen kurz vor der Besichtigung zu vertuschen.
Sind Zylinderkopf und Auspuff warm, könnte dies ein Anzeichen dafür sein.
Achte beim Starten des Motors auf ungewöhnliche Geräusche, wie das Rasseln der Steuerkette oder Mahlgeräusche von Lagern.
Auch eine blaue Wolke, die beim Anlassen aus dem Auspuff sichtbar wird, ist (bei einem Viertakter) kein gutes Zeichen und deutet auf verschlissene Kolbenringe hin.
Der Motor sollte beim Kaltstart ruhig und rund laufen und auch beim Hochdrehen keine Aussetzer haben.
Prüfe den Auspuff auf Dichtigkeit, indem du die Austrittsöffnung bei laufendem Motor verschließt. Beispielsweise mit dem Lappen, den du mitgebracht hast. Ist der Auspuff dicht, sollte der Motor ausgehen.
Check 11: Kupplung
Ob die Kupplung in Ordnung ist, kannst du auch bei abgeschaltetem Motor prüfen. Hierzu legst du einen Gang ein, ziehst die Kupplung und schiebst das Bike einige Meter. Funktioniert das problemlos, ist die Kupplung okay.
Check 12: Papiere, Schlüssel, Schlösser und Bordwerkzeug
Prüfe, ob die Fahrzeugnummer am Rahmen mit der Nummer in den Papieren übereinstimmt.
Sind alle nachträglich angebauten Teile und Umbauten eingetragen bzw. ist jeweils eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) oder die schriftliche Freigabe des Herstellers vorhanden? Liegt die nicht vor, kann schlimmstenfalls die Betriebserlaubnis für das Motorrad erlöschen.
Sind alle Schlüssel mindestens zweifach vorhanden? Prüfe alle Schlösser mit den Originalschlüsseln auf ihre Funktion.
Ist das Bordwerkzeug, insbesondere der Zündkerzenschlüssel, komplett bzw. vorhanden?
Check 13: Garantie und Gewährleistung
Ob du noch Gewährleistung oder Garantieansprüche geltend machen kannst, hängt vom Tag der Erstzulassung ab und ob die Maschine von einem offiziellen Importeur, einem Re- oder Parallelimporteur stammt.
Die Angaben über die Herkunft des Motorrads findest du im Fahrzeugbrief auf der letzten Seite.
Check 14: Alles dicht?
Ob irgendwo Flüssigkeiten austreten, prüfst du, indem du das Motorrad nach vorne und nach hinten schiebst und jeweils plötzlich die Bremse ziehst. Das Motorrad sollte abrupt zum Stehen kommen und nirgendwo sollten Flüssigkeiten austreten.
Check 15: die Probefahrt
Sind alle Punkte zu deiner Zufriedenheit abgearbeitet, steht jetzt die Probefahrt an. Hierzu brauchst du deinen Helm.
Bei der Probefahrt solltest du darauf achten, ob die Maschine durchgehend und sauber beschleunigt. Die Beschleunigungsleistung sollte gefühlt zur angegebenen Leistung (PS bzw. KW) passen. Du solltest beim Beschleunigen kein „Loch“ spüren.
Prüfe auch, ob es zu Fehlzündungen kommt, wenn du abrupt vom Gas gehst.
Ob das Getriebe in Ordnung ist, kannst du prüfen, indem du untertourig fährst und Gas gibst. Wenn du ein Mahlen, ein Krachen oder ein Heulen hörst, dann lass die Hände von dem Bike.
Lassen sich alle Gänge leicht hoch und runter schalten, oder ist die Gangschaltung träge? Gehen die Schaltvorgänge geräuschlos vonstatten oder sind Schleifgeräusche zu hören? Letzteres spricht für eine defekte Kupplungsscheibe.
Prüfe durch mehrmaliges Bremsen, ob Vorder- und Hinterradbremse direkt ansprechen. Achte dabei auf verdächtige Geräusche.
Wenn das Bike bei Bodenwellen nachschaukelt, kann die Dämpfung falsch eingestellt oder gar defekt sein. Nach dem Einfedern sollte die Maschine sofort wieder in ihren Ausgangszustand kommen.
Um zu prüfen, ob Rahmen oder Gabel verzogen sind, kannst du auf gerader, ebener Strecke bei ca. 60 – 80 km/h den Lenker etwas lockerer halten. Die Maschine sollte dabei die Spur halten und nicht zur Seite ziehen.
Ist alles zu deiner Zufriedenheit, gehts ans Eingemachte, die Verhandlung …
Viel Spaß und Erfolg dabei!
2 wichtige Tipps zum Schluss
- Hör auf dein Bauchgefühl, und bevor du Nägel mit Köpfen machst, sprich den Kaufvertrag unterschreibst,
- schlaf eine Nacht drüber!
Bildquellen
- Gebrauchtes Motorrad: Checkliste: pixabay.com