Warum mein bester Freund plötzlich die Seiten gewechselt hat und sich gegen Motorradraser stark macht (und ich ihn sogar verstehen kann)
Wie man selbst als passionierter Motorradfahrer durch einen Umzug plötzlich eine andere Sicht auf Dinge bekommt:
Sven, mein bester Freund, ist im Sommer letzten Jahres mit seiner Frau und den 2 Jungs von Köln in die Eifel gezogen. In ein kleines Örtchen, das wir durch unsere gemeinsamen Motorradtouren gut kennen.
Er kann dort die Firma seines Schwiegervaters übernehmen, die weiterführende Schule für die Jungs ist zu Fuß erreichbar, Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte und was man sonst so zum Leben braucht, ist alles in unmittelbarer Nähe.
Außerdem pure Eifelidylle, gesunde Luft und viel Natur – Herz, was willst du mehr!?
Von wegen Eifelidylle
Doch bei meinem Besuch am letzten Wochenende war Sven ganz schön genervt, von der vermeintlichen Eifelidylle. Fast kleinlaut musste er eingestehen, dass ihn der permanente Krach der durch das Dorf heizenden Motorräder mächtig auf den Geist geht. Dabei liegt sein Haus rund 2 km Luftlinie von der Durchgangsstraße entfernt.
„Insbesondere an den Wochenenden, wenn man selbst mal gemütlich auf der Terrasse sitzen oder den Grill anwerfen möchte, ist der Motorradlärm manchmal unerträglich“, meinte er.
Die eine Seite der Medaille (aus Biker-Sicht)
Ich erinnerte mich, dass wir früher schon kurz vor dem Ortsausgang unseren Maschinen die Sporen gegeben haben und die lange Steigung bis oben in die Kurve hochgebrettert sind. Wir hatten Spaß und waren in unserem Element.
… und die andere (aus Sicht der Anwohner)
Dass die Anwohner (zu denen Sven jetzt gehört) das vielleicht nicht so toll fanden, darüber haben wir uns damals keine Gedanken gemacht.
Sven hat jetzt die andere Seite der Medaille, die Sicht der Anwohner, kennengelernt.
Um die Motorradfahrer zu langsamerer Fahrweise zu zwingen, hat der sogar dafür plädiert, im Ort Poller und Blitzer aufzustellen.
Und wenn ich ehrlich sein soll, ich kann ihn sogar verstehen.
Stell dir vor, du sitzt auf deiner Terrasse, willst einfach mal in Ruhe ein Bier trinken und bist dabei ständig lautem Motorradlärm ausgesetzt. Das kann dir schon gehörig auf den Geist gehen.
Ich weiß nicht, ob du dich als Biker in diese Situation hineinversetzen kannst?
Sven hat mir zum Thema Motorradlärm ein Beispiel genannt, das ich selbst kaum glauben konnte.
Deswegen habe ich es für dich noch mal recherchiert:
Wusstest du, dass eine Ducati Panigale fast genauso laut ist, wie ein startender Airbus?
Und dass das auch noch völlig legal ist!?
Glaubst du nicht? Dann sieh den Prüfaufkleber rechts selbst an!
Ein Airbus startet übrigens mit rund 120 dB.
Ich weiß ja nicht, wie du darüber denkst, aber hast du schon mal einen Ducati-Fahrer gesehen, der im 3. Gang mit 36 km/h fährt?
Das ist völlig an der Realität vorbei.
Aufgrund des Gesprächs mit Sven habe ich mich mit der Problematik Motorradlärm und Raser etwas auseinandergesetzt und möchte dir einen Überblick geben, welche Maßnahmen uns Biker hierzu künftig erwartet:
Pläne und Maßnahmen gegen Poser und Raser
Um Posern, das sind die, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Motor aufheulen lassen und einen auf dicke Hose machen, und Motorradrasern das Leben schwer zu machen, werden aktuell viele Maßnahmen diskutiert und auch getestet.
So sind strengere EU-weite Grenzwerte für Lärm, höhere Strafen für Manipulationen und effektivere Kontrollen im Gespräch.
Ebenso Überholverbote und temporäre Fahrverbote auf besonders unfallträchtigen oder lärmbelasteten Strecken.
Auch Fahrbahnverengungen durch Poller, Pflanzkübel oder Mittelschwellen helfen an neuralgischen Punkten, Motorradraser auszubremsen und sorgen so für mehr Sicherheit und weniger Lärm.
Dass Motorradgeräusche als lauter und lästiger als Pkw-Geräusche empfunden werden, belegen verschiedene Studien und Tests. Dies vor allem wegen der Frequenz und der Klangfarbe des Motorradsounds.
Weder du noch ich können daran etwas ändern. Das ist Sache der Hersteller. Aber ich finde, dass ein Bike mit ordentlich Bums auch akustisch entsprechend rüberkommen sollte.
Break: die Sache mit dem weinroten Ferrari…
Da fällt mir eine Situation ein, die ich vor ein paar Tagen auf der Autobahn erlebt habe: Ich fuhr mit unserem CNG-Caddy gemütlich auf der rechten Spur und wurde unter anderem von einem weinroten Ferrari-Cabrio überholt.
Ist doch völlig normal, wirst du jetzt denken und dich fragen, warum ich das hier schreibe!?
Ganz einfach, zwei Dinge fielen mir auf. Einmal die Farbe. Weinrot und Ferrari!? Das passt meiner Meinung nach überhaupt nicht. Ist aber wohl Geschmackssache.
Aber der eigentliche Punkt ist, ich hab den Ferrari einfach nicht gehört. Er hat weder geröhrt, geblubbert, gebrummt, gedröhnt noch sonst was. Nichts. Wie ein Elektroauto fuhr er an mir vorbei. Ein Fiat Panda hätte mehr Krach gemacht :-).
Was will ich damit sagen? Wenn du ein sportliches Gefährt, wie einen Ferrari bewegst, dann sollte man es auch hören. Nicht, um vor anderen anzugeben, sondern weil es irgendwie dazugehört. Für mich jedenfalls. Und bei Motorrädern sehe ich es genauso.
Du siehst, ich bin da beim Thema Motorlärm selbst hin und hergerissen.
Aber kommen wir jetzt zu den Maßnahmen, die uns Bikern drohen, wenn wir zu laut oder zu schnell unterwegs sind:
Maßnahme Actibump
An Stellen, an denen andere Maßnahmen nicht greifen, setzen immer mehr Städte und Gemeinden im Kampf gegen Poser und Raser auf künstliche Schlaglöcher:
Actibump ist eine schwedische Entwicklung und dort bereits seit 2011 im Einsatz. Es handelt sich um künstliche Bodenschwellen, die sich absenken, wenn sich ein Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit nähert.
Die Bodenschwellen sind entweder mit einer Induktionsschleife oder einer Radareinheit verbunden, die die Geschwindigkeit des heranfahrenden Fahrzeugs ermitteln.
Nach dem Motto „Wer nicht hören will, muss fühlen“ wird der Fahrzeugführer durch ein Absenken der Bodenschwelle unsanft an das bestehende Tempolimit erinnert. Hält sich der Fahrzeugführer an die vorgegebene Geschwindigkeit, passiert nichts.
Immerhin soll sich die Zahl der Raser von 75 % auf 21 % reduziert haben.
Du willst wissen, wie Actibump in der Praxis funktioniert? Das siehst du in diesem Video:
Wer nicht hören will, muss fühlen – bei überhöhter Geschwindigkeit senkt sich das künstliche Schlagloch. Es entsteht eine bis zu 6 cm tiefe Kante.
Maßnahme Lärmblitzer
Eine neue Technologie, um besonders laute Fahrzeuge zu identifizieren, sind die sogenannten Lärmblitzer.
Sie haben den Zweck, Fahrzeuge mit manipulierten Auspuffanlagen herauszufiltern und so zu weniger Verkehrslärm beizutragen.
Neben der Geschwindigkeit und der Lautstärke des vorbeifahrenden Fahrzeugs wird auch dessen Fahrzeugklasse erfasst. Die Geräte können also beispielsweise zwischen einem Motorrad und einem Pkw unterscheiden.
Zweirädrige oder dreirädrige Kraftfahrzeuge sowie leichte bis schwere vierrädrige Kraftfahrzeuge sind in der EU-Verordnung 2013/168/EU vom 15. Januar 2013 mit der Fahrzeugklasse L und deren Unterklassen geregelt.
Der Art. 2 besagt:
Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für alle zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeuge gemäß Artikel 4 und Anhang I (im Folgenden „Fahrzeuge der Klasse L“), die dazu bestimmt sind, auf öffentlichen Straßen gefahren zu werden, einschließlich Fahrzeuge, die in einer oder mehreren Stufen ausgelegt und gebaut werden, und für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten sowie für Teile und Ausrüstungen, die für solche Fahrzeuge ausgelegt und gebaut werden.
Diese Verordnung gilt auch für Enduro-Krafträder (L3e-AxE (x = 1, 2 oder 3)), Trial-Krafträder (L3e-AxT (x = 1, 2 oder 3)) und schwere Gelände-Quads (L7e-B) gemäß Artikel 4 und Anhang I.
In Frankreich und Großbritannien werden Lärmblitzer bereits getestet. Sobald ein Fahrzeug das zulässige Geräuschlimit überschreitet, löst der Lärmblitzer aus.
So wurden bei einem Test in Frankreich an einem Sonntag insgesamt 450 Lärmüberschreitungen gemessen.
In Deutschland werden an neuralgischen Punkten vereinzelt sogenannte Lärmmessgeräte eingesetzt. Da diese aber keine Blitzerfunktion haben, also keine Kennzeichen erfasst werden, drohen auch keine rechtlichen Konsequenzen.
Als Fahrer wirst du lediglich durch eine LED-Anzeige über das Messergebnis informiert.
Maßnahme Blitzer
Wenn wir als Biker zu schnell unterwegs sind und geblitzt werden, blieb das bisher meist ohne Folgen. Weil Helm und Visier in den meisten Fällen das Gesicht verdecken und das Kennzeichen am Heck angebracht ist. Keine Chance für Blitzer und Polizei.
Doch dies kann sich künftig ändern.
Wenn auch in Deutschland noch relativ selten, existieren auch hier bereits sogenannte Doppelblitzer, die Aufnahmen von vorne und von hinten anfertigen können.
So haben es die Behörden leichter, den Halter einer Maschine zu ermitteln. Gelöst ist der Fall aber deshalb noch nicht. Weil nämlich nicht der Halter haftbar ist, sondern die Person, die auf der Maschine saß.
Wenn du als Halter abstreitest, selbst gefahren zu sein, wird es für die Polizei schwierig.
Im äußersten Fall kann eine Hausdurchsuchung angeordnet und Helm und Bikerkluft beschlagnahmt werden.
Dies ist schon vorgekommen, wird aber nur bei krassen Verkehrsverstößen veranlasst.
Alternativ wird dir das Führen eines Fahrtenbuches zur Auflage gemacht. Und ob du das willst, weiß ich nicht.
Maßnahme Enteignung der Maschine
Unverbesserlichen Rasern droht mittlerweile sogar die Enteignung der Maschine!
So hat ein Hamburger Gericht ein Zeichen gesetzt, das erst durch eine Gesetzesänderung möglich wurde.
Konnte man Raser bis Ende 2017 nur wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung verurteilen, so können Gerichte jetzt auf die neuen Paragrafen 315d und 315f des Strafgesetzbuches (StGB) zurückgreifen:
§ 315d StGB
„(1) Wer im Straßenverkehr
- ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt,
- als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt oder
- sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 oder 3 Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 strafbar.
(4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Verursacht der Täter in den Fällen des Absatzes 2 durch die Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.“
§ 315f StGB
Kraftfahrzeuge, auf die sich eine Tat nach § 315d Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 3, Absatz 2, 4 oder 5 bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.
Das Gericht hatte einem Motorradraser die Maschine enteignet, nachdem dieser nach mehreren Verkehrsverstößen zusätzlich statt der erlaubten 100 km/h mit 226 km/h unterwegs war und eine Ortschaft mit 129 km/h durchfuhr.
Das Ergebnis dieser Schwachsinnsaktion:
- Maschine weg,
- Führerschein weg,
- 9-monatige Führerscheinsperre und
- 2600 € Geldstrafe
Zum Abschluss:
Als Biker, der auch gerne sportlich unterwegs ist, über die Themen Motorradlärm und Raser zu schreiben, ist für mich durchaus etwas heikel. Weil es halt nun mal 2 Seiten der Medaille und somit 2 Sichtweisen gibt.
Und ich möchte hier weder als Nestbeschmutzer noch als Oberlehrer auftreten. Letzteres fände ich selbst ziemlich peinlich.
Dennoch ein stiller Appell: Fahr verantwortungsbewusst und bleib sauber. Und wenn dich doch mal ein Blitzer erwischt, dann findest du hier einen Bußgeldrechner 🙂
Bildquellen
- Eifel: Paradies für Motorradfahrer: pixabay.com
- Ducati Prüfaufkleber: motorradlaerm.de
- Schlaglöcher gegen Raser: Actibump: edeva.se
- Motorradraser: Blitzer und Co: pixabay.com